Montag, 19. September 2011

Whisky

Ein Mitglied eines Forums schlug mir kürzlich vor, mich doch einmal des Themas „Whisky“ anzunehmen. Er motivierte mich mit der Aussage, dort gäbe es sogar Leute, die das als Rasierwasser nutzten.
Na, prima, dachte ich bei mir, denn dann muss ich gleich vorausschicken, dass ich diesen Leuten keine neuen Erkenntnisse liefern kann, weder in Bezug auf die richtige Handhabe noch die Auswahl einer hauttypischen Whiskysorte. Nach wie vor ziehe ich die Einnahme dieses besonderen Getränkes der Einreibung vor, die ich ehrlicherweise bislang nie probiert habe. Vielleicht gelingt es mir aber mit meinem Beitrag, diesen extravaganten Anwendern das Gespür für die ursprüngliche Bestimmung von Whisky neu zu vermitteln:
Wenn ich das Thema „Whisky“ andenke, so fällt mir als erstes mein langer Weg bis zu der Erkenntnis ein, wie facettenreich dieses hochprozentige Getränk ist. Doch nicht allein der Geschmacksreichtum zeichnet seinen besonderen Genuss aus, die Atmosphäre, die sich beim Trinken hinzugesellt, rundet das Erlebnis wahrlich ab. Ich spreche jetzt nicht von den Käpt´n Böff Böff´s und ähnlichen Marken, die bei namhaften Discountern für wenig Geld zu erstehen sind. Die Allerweltsmarken, deren letzte Geschmacksfeinheiten mit Eis oder Cola gnadenlos neutralisiert werden, sollen ebenso wenig das Thema sein, nein, sondern ich spreche von dem richtigen schottischen Single-Malt-Whisky, in den viel Erfahrung, Geduld und Fertigkeit investiert worden sind, um ihn als echte Ableitung der ursprünglich gälischen Bezeichnung „uisge beatha“, als „Lebenswasser“ zu einem Trinkgenuss werden zu lassen.
Wie gesagt, bedurfte dieses Ziel für mich eines langen Weges, der vor ca. 30 Jahren wohl mit dem Probieren eines Dimple begann. „Whisky kratzt“, war die einzige Erkenntnis, die sich daraufhin fast dogmatisch bei mir festklammerte und jeglichen weiteren Versuch bereits im Keim erstickte. Dieses Dogma hätte wahrscheinlich auch für den Rest meines Lebens bestand gehabt, wenn mich nicht glücklicherweise eines schönen Spätnachmittags im Jahre 2008 mein ehemaliger Nachbar zu einem Fischessen eingeladen hätte. Gemeinsam mit seiner Frau liebten sie Reisen in das Ursprungsland des Whiskys. Aus dieser Liebe erwuchs der Trinkgenuss ebenso wie die Idee, selbst einen Handel aufzubauen, der sich damals noch auf wenige Marken beschränkte, zwischenzeitlich aber auf ein Repertoire von über 200 verschiedenen Sorten sowie allerlei passender Nebenprodukte zurückgreifen kann.
Zunächst wehrte ich das Angebot meines Nachbarn mit der gewohnt stereotypen Bemerkung über das Kratzen ab, ließ mich aber schließlich ob seiner Beharrlichkeit dann doch hinreißen, einen 10 Jahre alten fruchtigen Talisker zu probieren. Binnen Sekunden löste sich das Dogma in Wohlgefallen auf. Endgültig überzeugte mich schließlich die Teilnahme an einem Whiskytasting. Gänzlich zu meinem Erstaunen fand ich „meinen Whisky“, einen 16 Jahre alten Lagavulin, dessen torfig rauchige Note mich bis heute stets aufs Neue fasziniert. Und das, obwohl ich zeitlebens ein überzeugter Nichtraucher war und bin.
Bereits beim Öffnen der Flasche entsteigt der zarte rauchige Duft, die erste Stufe des Genusses, den ich tief einatme. Der dunkle Bernstein seines Körpers im Tumbler, Ergebnis ruhig verweilender Nachreife in alten Sherry-Fässern, schmeichelt den Augen. Bedächtig schwenkend geht die Erhöhung seiner Temperatur mit der Steigerung der Intensität des Rauches einher. Der erste Schluck: Langsam schwappt die leicht ölige Flüssigkeit über die Zunge, noch ein wenig brennend beim ersten Mal bereitet sie die Geschmacksnerven auf die komplexe Geschmacksstruktur aus Karamell, Jod und Meeresbrise vor, die von einem langen rauchigen Abgang gekrönt wird, der durch ein langsames Ausatmen nach dem Schlucken nochmals nachklingt.
Ein wohliges Gefühl breitet sich im Körper aus, Ruhe, Gemütlichkeit. Kann es einen größeren Genuss geben?
Ich bezweifle, dass mir die Einreibung meines Gesichtes und Halses mit Whisky die gleichen Erlebnisse bescheren würde und werde daher auch zukünftig bei der gewohnten Genussmethode bleiben. Es wäre schade, wenn den äußerlichen Anwendern ebenso wie ehemals mir der wahre Genuss so lange oder weiterhin verwehrt bliebe.